Eintrag 50125. Februar 1856 Gemeinderath beschäftigte sich heute in Verfolg der
Statt gehabten Verhandlung vom 21. des Monats mit
Feststellung des Mandats für die gewählte
Deputation behufs Erwirkung der Anlage einer
Zweigbahn Zweigbahn aus dem Bahnhofe der Aachen-Düsseldorfer Eisenbahn
nach dem Hauptzoll-Amte respective den Niederlagen am Erftkanale,welches Mandat nach
dem Vorschlag des Vorsitzenden wie
folgt festgesetzt wird. 1. Bei dem Königlichen Ministerium für Handel-, Gewerbe und
öffentliche Arbeiten zu Berlin in geeigneter Weise darauf hin-
zuwirken, daß der Verwaltung der Rheinischen Eisenbahnbei deren in Aussicht stehenden
Übernahme der Aachen-
Düsseldorfer Bahn, die Bedingung gestellt werde, die
ebengenannte Zweigbahn, wozu die Stadt das erforderliche
Terrain von da ab, in dieselbe das Eigenthum der
Aachen-Düsseldorfer Eisenbahn verläßt, unentgeldlich zur
Disposition stellen werde, auf ihre Kosten anzulegen und
in ihrem wie im Interesse des öffentlichen Verkehrs in Betrieb
zu setzen. 2. Im Falle der Vorschlag ad 1 keine Aussicht auf Erfolg hätte,
würde die Deputation um der Sache näher zu treten, die Eröff-
nung zu machen haben, daß die Stadt Neuss bereit sei, einen
Zuschuß von ca 10 000 Thlr, als den vierten Theil der Kosten
der Anlage zur Disposition zu stellen, wovon erst dann Zinsen
respective Dividenden zu fordern seien, wann die Zinsen der
übrigen drei Viertel aus der Einnahme nach Abzug der
Betriebskosten gedeckt sind, oder aber das zu den bis auf
eine kurze Strecke ganz über städtisches Eigenthum führenden,
Zweigbahn erforderliche Terrain unentgeldlich zur Bebauung
zu überweisen und die Kosten des Unterbaues, bis zur [unterhalb eingefügt: resp. Erd-
und Böschungs-Arbeiten]
Anschlagssumme von ca 2 100 Thlr zu tragen. 3. Sollte auch der Vorschlag ad 2 ohne
Erfolg sein, so würde die wei-
tere Aufgabe der Deputation dahin gehen, die möglich gün-
stigsten Bedingungen für den Bau der Zweigbahn Seitens
der Stadt Neuß, unter der Leitung der Königlichen Direction.
der Aachen-Düsseldorfer Eisenbahn zu erlangen, nämlich
a. Dieselbe weiter Zugrundelegung des Planes der Königlichen
Direction nach Maßgabe der Modifikation desselben und
des Kostenanschlages des Bahnhof-Inspectors van der Schmedtim Betrage von 26 000 Thlr
auszuführen,
b. Übernahme des Betriebs derselben durch die Stadtverwal-
tung unter Abschluß eines Vertrages mit der KöniglichenDirection, nach welcher diese
die Güter von dem Bahnhofüber die Zweigbahn zum Erftkanale und umgekehrt
gegen eine möglichst billige Vergütung pro Axmeile
und Waggon zu liefern übernimmt und zur Abholen
der Güter von der Erft zur Eisenbahn die jedesmal
nach Bedarf nöthigen Waggons in angemessener
Zeit zur Disposition zu stellen hat, oder 4. a Übernehme des Betriebs Seitens der
Königlichen Direction,
zu welchem Ende dieselbe wie im vorhergehenden Falle die
Betriebsmittel zu stellen und ebenfalls eine Vergütung,
die die der Billigkeit entspreche, pro Axmeile und Waggon
zu erheben haben würde. Eine weitere Betheiligung derselben
an der Einnahme würde dann der Gegenstand einer auf
gegenseitig billigen Grundlagen beruhenden contractlichen Ver-
einbarung sein, und zwar mit Rücksicht auf die Art
und Weise der Amortisation des Anlage-Capitals der
Zweigbahn inclusive der Kosten respective des relativen Werthes des
zum Bau derselben hergegebenen Grund und Bodens;
b. die Königliche Direction soll ferner berechtigt sein,
nach erfolgter vorerwähnter Amortisation, in das volle
uneingeschränkte Eigenthum der Zweigbahn zu treten,
dagegen aber hat dieselbe die Verpflichtung zu übernehmen,
einen bestimmten, näher zu ermittelnden respective zu
vereinbarenden, den Verkehr fördernden billigen Fracht-
satz für die Benutzung der Zweigbahn nicht zu erhöhen,
wohl aber nach Umständen zu modifiziren, so daß zu
immer größerer Hebung und Vermehrung des Ver-
kehrs die Einnahme von der Zweigbahn auf die Deckung
der Verwaltungs-Betriebs- und Unterhaltungs- respectiveErneuerungs-Kosten zu beschränken
wären. 5. Wurde auch auf die Vorschläge ad 3 [und] 4a-b nicht einge-
gangen, sondern gegen Erwarten die Bedingungen der
Königlichen Direction vom 14. Merz 1855 als allein maßgebend
festgehalten werden, so hätte die Mission der Deputation
mit der schließlich abzugebenden Erklärung ihr Ende
erreicht, daß für diesen Fall der Gemeinderath
sich die betreffende Beschlußnahme vorbehalten habe. Es ist endlich keineswegs unbeachtet
zu lassen,
daß die Stadt Neuss von der Ansicht ausgeht, daß
die Zweigbahn nothwendig einen mitageirenden Theil
des Erftkanals bilde und daher voraussetzt, daß die
höhere und höchste Behörde jede Seitens der Stadt
für die Anlage derselben auf die eine oder andere
Weise zu verausgabenden Summe als ein auf den Erft-
kanal haftendes Kapital ansehen, und demselben bis zur
Amortisation gleiche Rücksichten wie den älterrn
Kapitalien zu Lasten des Erftkanals zu Theil werden
lasse. actum ut supra...